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Anzeige wegen Beleidigung: Aussage gegen Aussage


24.04.2025
In Deutschland ist die Beleidigung gemäß § 185 StGB strafbar – allerdings nur, wenn das Opfer innerhalb von drei Monaten nach Kenntnis der Tat einen Strafantrag stellt. Fehlen objektive Beweise oder Zeugen, steht Aussage gegen Aussage – ein Szenario, das für die Staatsanwaltschaft und das Gericht besonders schwierig zu bewerten ist.
In solchen Fällen empfehlen wir zunächst vom Schweigerecht Gebrauch zu machen umgehend und die Hinzuziehung eines spezialisierten Strafverteidigers, um Akteneinsicht zu erlangen. Oft wird das Verfahren bei Bagatelldelikten eingestellt, andernfalls droht ein Strafbefehl mit Geldstrafe oder, im Hauptverfahren, eine mögliche Verurteilung. Menz & Partner steht Ihnen in Memmingen, Kempten und Illertissen mit langjähriger Expertise im Strafrecht zur Seite.

Was ist eine Beleidigung 🔍

Eine Beleidigung liegt vor, wenn eine Person in Wort, Schrift, durch Gesten oder Tätlichkeiten in ihrer Ehre verletzt wird. Typische Beispiele sind das Beschimpfen als „Idiot“ oder das Zeigen einer obszönen Geste (Mittelfinger, Scheibenwischer). Verbal begangene Beleidigungen werden meist mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr bestraft; bei tätlichen Beleidigungen kann das Strafmaß bis auf zwei Jahre ansteigen. Öffentliche oder versammlungsbezogene Beleidigungen werden dabei besonders streng geahndet.

Antragsdelikt und Fristen ⏳

Die Beleidigung ist ein absolutes Antragsdelikt. Das bedeutet, das Opfer muss innerhalb von drei Monaten nach Kenntnis der Tat einen Strafantrag stellen. Versäumt es diese Frist, erlischt das Recht auf Strafverfolgung. Ohne fristgerechten Antrag bleibt dem Geschädigten nur der Weg über zivilrechtliche Unterlassungs- oder Schadensersatzklagen.​

Anzeige und Ermittlungsverfahren 🕵️‍♂️

Erste Schritte nach einer Anzeige:
  • Vorladung oder Äußerungsbogen:
Nach Eingang der Strafanzeige leitet die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren ein. Häufig erhält der Beschuldigte eine polizeiliche Vorladung oder einen schriftlichen Äußerungsbogen.
  • Recht zu schweigen:
Betroffene sollten hier das Recht zu schweigen nutzen und keine unüberlegten Erklärungen abgeben.
  • Akteneinsicht:
Ein erfahrener Strafverteidiger kann zu diesem frühen Zeitpunkt bereits Akteneinsicht beantragen und die Ermittlungsakten auf Verfahrensfehler oder Widersprüche prüfen.

Die „Aussage gegen Aussage“-Situationen ⚖️

Abgrenzung und typische Fälle

Ist weder durch Zeugen noch durch Fotos, Videos oder Tonaufnahmen objektiv belegbar, was genau gesagt oder getan wurde, spricht man von einer „Aussage gegen Aussage“-Konstellation. Denn in der Regel beschuldigen sich die Streitparteien jeweils gegenseitig beleidigt worden zu sein und keiner will selbst etwas relevantes gesagt haben. Solche Fälle treten häufig auf bei privaten Streitigkeiten in der Familie, unter Freunden, im Straßenverkehr oder im Onlinediskurs. Dann stehen allein die Angaben der Beteiligten im Raum.

Glaubwürdigkeitsprüfung

In „Aussage gegen Aussage“-Fällen müssen Staatsanwaltschaft und Gericht entscheiden, wessen Darstellung überzeugender ist. Dabei spielen Faktoren wie Konsistenz der Aussagen, Detailtiefe und mögliche Widersprüche eine Rolle. Auch Vorstrafen oder frühere polizeiliche Auffälligkeiten des Beteiligten können berücksichtigt werden.​
👉 Regelmäßig läuft es aber darauf hinaus, dass keiner der Aussagen von vornherein ein erhöhter Beweiswert zukommt und die Staatsanwaltschaft das Verfahren nach § 170 StPO einstellt, da ein Tatnachweis weder gegen den einen, noch gegen den anderen zu führen ist.

Verteidigungsstrategien 🛡️

Schweigen, Akteneinsicht, Gegendarstellung

Der erste wichtige Schritt ist die Inanspruchnahme des Schweigerechts. Parallel dazu sollte ein Strafverteidiger umgehend Akteneinsicht beantragen. Nur so lassen sich Widersprüche in den Ermittlungsakten aufdecken und unüberlegte Äußerungen vermeiden, die später gegen den Beschuldigten verwendet werden könnten.
Tipp vom Anwalt:

Schritt 1: Schweigen

  1. Selbst vermeintlich unwichtige Äußerungen können erheblich schaden!
  • Bei einer Anzeige wegen eines "Scheibenwischers" im Straßenverkehr hat der Geschädigte in der Regel den vollkommen fremden Täter nur kurz gesehen. Der Geschädigte wird den Täter später oft nicht detailliert genug beschreiben können, so dass auch andere Personen als Täter in Betracht kommen und das Verfahren eingestellt wird.
  • Wenn der Beschuldigte dagegen in der Vernehmung angibt er sei gefahren und habe eine Geste gemacht, aber sich lediglich die Haare zurechtgestrichen und keinen "Scheibenwischer" gemacht, dann hat er bereits einen wesentlichen Beitrag zur Sachverhaltsaufklärung geleistet. Denn es steht nun fest, dass er der Fahrer war und auch, dass er eine Geste gemacht hat.
  • Wenn das Gericht seine Schilderung nun als Schutzbehauptung abtut und dem Geschädigten glaubt, droht eine Verurteilung.
  1. Niemals eigene Beleidigung einräumen
  • Häufig argumentieren die Beteiligten, dass man zwar selbst beleidigt habe, der andere aber angefangen hat. Dies führt aber gerade nicht direkt zu der Einstellung des Verfahrens! Denn das bloße Erwidern auf eine Beleidigung ist nicht straffrei. Vielmehr kann später der Richter der Richter gemäß § 199 StGB von der Strafe absehen. Zwar kann die Staatsanwaltschaft das Verfahren dann auch über § 153b StPO einstellen, dafür gibt es aber keine Garantie.

Schritt 2: Akteneinsicht

Beauftragen Sie einen Strafverteidiger, der Akteneinsicht in die Strafakte beantragt und mit Ihnen Chancen und Risiken verschiedener Verteidigungsstrategien durchgeht.

Schritt 3: Gegendarstellung

Erst wenn der Akteninhalt geprüft wurde, sollte eine präzise Stellungnahme verfasst werden. Hierbei kommen unter anderem folgende Argumentationen in Betracht:
  • Der Sachverhalt ist nicht aufklärbar, weil die Beteiligten unterschiedliche Sachverhalte behaupten und keine Aussage mehr wiegt.
  • Die Äußerung ist rechtlich nicht strafbar, da sie sich im Rahmen zulässiger Meinungsäußerung bewegt. Diese Argumentation verfängt bei Formalbeleidigungen jedoch nicht.
  • Ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung liegt im konkreten Fall nicht vor.

Einsatz von Sachverständigen

In besonders komplexen Fällen kann ein aussagepsychologisches Gutachten helfen. Solche Gutachten analysieren, ob und wie Erinnerungen beeinflusst oder suggestiv beeinflusst wurden, und können die Aussageführung des Antragsstellers im Detail hinterfragen. Ein Gutachten wird aber in der Regel bei Bagatelldelikten wie Beleidigung nicht eingeholt. Aussagepsychologische Gutachten spielen jedoch im Bereich des Sexualstrafrechts, z.B. bei einer behaupteten Vergewaltigung, eine ganz zentrale Rolle.

Mögliche Verfahrensausgänge

  • Einstellung des Verfahrens:
Wenn kein Strafantrag gestellt wird oder die Tat nicht nachweisbar ist, wird das Verfahren nach § 170 StPO eingestellt. (Erfahren Sie auf unserem Artikel zu § 170 StPO mehr hierzu)
  • Privatklage:
Bei nachweisbarer Tat, aber fehlendem öffentlichen Interesse, wird das Verfahren auf den Privatklageweg verwiesen.
  • Strafbefehl:
Bei hinreichendem Tatverdacht wird oft ein Strafbefehl mit Geldstrafe erlassen. Gegen diesen kann binnen zwei Wochen Widerspruch eingelegt werden.
  • Hauptverfahren:
Bei Widerspruch gegen den Strafbefehl oder einer Anklage kommt es zu einer Gerichtsverhandlung, in der endgültig über Schuld und Strafe entschieden wird.​
👉 Ein kompetenter Strafverteidiger kann gezielt auf eine solche Einstellung hinwirken, indem er Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Anschuldigungen herausarbeitet oder darlegt, dass kein öffentliches Interesse besteht.

Praxisbeispiele

👉 Die Darstellung von Politikern und anderen Personen des öffentlichen Lebens auf einem „Fahndungsplakat“, verbunden mit ihrer Bezeichnung als „Terroristen“, Staatsfeinde“, „gesucht“ wegen „organisiertem Verbrechen, Hochverrat, Genozid, Kindesmissbrauch, Volksverhetzung, Freiheitsberaubung, Amtsmissbrauch, Erpressung, Nötigung, arglistige Täuschung und andere, schwerwiegenden Straftaten …“ und „Gewalttäter“, kann eine strafbare Beleidigung darstellen.
👉 Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 50 € u.a. für die Bezeichnung als "Schwuchtel".
👉 Die Bezeichnung einer Frau als „Schlampe“ stellt regelmäßig eine Formalbeleidigung dar, bei der die Meinungsäußerungsfreiheit des Angeklagten hinter den Ehrenschutz der Verletzten zurücktritt, ohne dass es einer Einzelfallabwägung bedarf. Eine Schmähung des Opfers, die ebenfalls eine Einzelfallabwägung entbehrlich macht, ist dann anzunehmen, wenn die Äußerung keinen nachvollziehbaren Bezug zu einer sachlichen Auseinandersetzung hat und es im Angeklagten nur um das grundlose Verächtlichmachen der betroffenen Person als solcher geht.
👉 "Als der Angeklagte auf Höhe der beiden Polizeibeamten war, schaute er EPHM K. direkt in die Augen und sagte bewusst an die beiden Polizeibeamten in normaler Lautstärke gewandt: „Da ist ja wieder der Rassistenverein“. Diese Äußerung, die sowohl von den beiden Polizeibeamten als auch von den übrigen Passanten gut zu hören war, tätigte der Angeklagte, um seine Missachtung gegenüber den beiden Polizeibeamten auszudrücken."

Fazit und Handlungsempfehlungen

Fälle mit „Aussage gegen Aussage“ zählen zu den schwierigsten im Strafrecht. Wer mit einer Anzeige wegen Beleidigung konfrontiert ist, sollte zunächst vom Schweigerecht Gebrauch machen und sofort einen spezialisierten Strafverteidiger hinzuziehen. Die Chancen, mit der richtigen Strategie eine Verfahrenseinstellung zu erreichen, stehen oft gut. Menz & Partner berät und verteidigt Sie kompetent in Memmingen, Kempten und Illertissen – von der Akteneinsicht über Beweisanträge bis hin zur Prozessführung. Kontaktieren Sie uns, um Ihre Rechte zu sichern und die bestmögliche Verteidigungsstrategie zu entwickeln.
Weitere Informationen zum Straftatbestand Beleidigung finden Sie auf unserer Seite
Weiterführende Informationen zu strafrechtlichen Fragestellungen und effektiver Verteidigung finden Sie auf unserer Seite zum

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