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Was ist bei der Hofübergabe zu beachten?


04.10.2023

Hofübertragung und Erbschaft im ländlichen Raum rund um Memmingen, Kempten und Illertissen

Gerade im ländlich geprägten Raum um Memmingen, Kempten und Illertissen befinden sich viele alte Landwirtschaften und Hofstellen. Die Nachlassplanung muss den hier auftretenden Besonderheiten Rechnung tragen.

1. Hofnachfolge früher

Früher erschien die Umsetzung klar: dem ältesten Sohn wurde der Betrieb im Wege der „vorweggenommenen Erbfolge“ durch Schenkung mit Gegenleistungen überlassen. Als Gegenleistungen wurde meist ein Wohnrecht bzw. Wohnungsrecht im Altenteilerhaus vereinbart. Zudem war noch „Wart- und Pflege“, also umfassende Versorgungsleistungen geschuldet.
Die anderen Kinder wurden mit einem am Ertragswert gemessenen Wert ausbezahlt, der im Verhältnis zum Verkehrswert niedrig erschien. Nicht selten beklagte der Hofübernehmer später, dass er „nur Arbeit“ geerbt habe, wohin gegen die anderen Kinder mit ihrer niedrigen Auszahlungssumme unzufrieden waren.

2. Ausgangslage heute

Die Ausgangslage hat sich geändert. Die meisten Hofstellen werden nicht mehr aktiv selbst betrieben, sondern sind (überwiegend) Verpachtungsbetriebe.
Die Kinder blieben nicht im Dorf und auf dem Hof, sondern waren in der Stadt studieren oder haben dort eine Ausbildung gemacht. Das arbeitsintensive Leben auf der Landwirtschaft schreckt ab, so dass oft keiner den Hof operativ als Landwirtschaft fortführen will. Interesse, die werthaltigen Flächen und Gebäude ohne Bewirtschaftung zu übernehmen, wird trotzdem angemeldet.
Die anderen Kinder sind bei diesen Voraussetzungen nicht mehr mit geringen Auszahlungsbeträgen im fünfstelligen Bereich zufrieden, wenn das Geschwister einen Millionenwert ohne Arbeitsaufwand erhält. Vor einer Zerschlagung des Betriebs und Aufteilung der Äcker und Grünflächen warnt hingegen der Steuerberater, der das Risiko einer Betriebsaufgabe mit brutalen steuerlichen Folgen sieht. Kurz: Die Lage ist komplizierter geworden.

3. Falsche Lösungsansätze

Den Hofübergebern drängen sich viele Fragen auf, darunter die Verantwortung gegenüber den früheren Generationen, der mögliche Imageverlust durch Betriebszerschlagung und die Absicherung im Alter. Es ist wichtig, besonnen zu handeln und keine überstürzten Maßnahmen zu ergreifen. Dazu gehören die folgenden Gestaltungen, von denen wir abraten:

(1) Heimliche Hofübergabe ohne Einbeziehung der Familie:

Problematisch kann hier das Entstehen von „Pflichtteilsergänzungsansprüchen“ im Erbfall sein. Insbesondere, wenn der Erbfall binnen 10 Jahren nach Schenkung des Hofs eintritt. Auch wenn Pflichtteilsansprüche klein gehalten werden, führt diese Gestaltung meist zu Empörung und Streitbereitschaft bei den anderen. „Überraschend“ ist die Übergabe auch, wenn ein Nachfolger ausgewählt wird, der den Betrieb gar nicht erhalten kann oder will.
Worst case: Ein ausufernder Erbrechtsstreit um Pflichtteilsansprüche vor Gericht zwischen den Familienmitgliedern, wobei der Erwerber große Teile der Landwirtschaft letztlich verkauft.

(2) Aufteilung von Äckern und Grünflächen ohne Absprache mit dem Steuerberater:

Das Vermögen ist steuerrechtlich in „Privatvermögen“ und „steuerverstricktes Betriebsvermögen“ zu unterscheiden. Während das Wohngebäude meist Privatvermögen ist, sind viele Flächen oft Betriebsvermögen. Wertsteigerungen im Privatvermögen sind (bis auf Ausnahmen) nicht Einkommensteuerpflichtig. Betriebsvermögen hat dagegen einen „Buchwert“. Wenn z.B. eine Ackerfläche zu einem höheren Wert als dem Buchwert aus dem Betriebsvermögen in das Privatvermögen überführt wird, werden die „stillen Reserven“ aufgedeckt.
Beispiel: 10.000 m² Grünland mit Buchwert 2,00 € werden ins Privatvermögen überführt, wobei der Verkehrswert 5,00 € beträgt. Hier werden pro m² (5,00 € - 2,00 € =) 3,00 € aufgedeckt, also insgesamt 10.000,00 m² x 3 €/m² = 30.000,00 €. Dieser Betrag gilt als Einkommen und muss versteuert werden. Bei einem angenommenen Steuersatz von 30 % bedeutet dies zusätzliche Steuer von 9.000,00 €.
Eine Überführung des gesamten Betriebsvermögens in Privatvermögen liegt bei einer „Betriebsaufgabe“ vor. Diese kann gegenüber dem Finanzamt erklärt werden, oder auch von selbst eintreten, wenn die Betriebsgrundlagen veräußert werden. Die Rechtslage ist hier in Bewegung. Es ist möglich, dass die lebzeitige „Realteilung“ des Betriebs auf mehrere Personen eine Gesamtbetriebsaufgabe darstellt. Anders ist dies derzeit (Stand 02.2023), wenn der Betrieb an eine Erbengemeinschaft vererbt wird und diese den Betrieb aufteilen, da hier § 14 Abs. 3 S. 1 EStG Anwendung findet.
Worst case: das Finanzamt geht bei einer lebzeitigen Aufteilung der Flächen eines größeren Verpachtungsbetriebs (z.B. 27 ha) auf 5 Kinder von einer Betriebsaufgabe aus. Es können hier ungewollt Steuerlasten im sechsstelligen Bereich entstehen. Diese müssen durch Flächenverkäufe finanziert werden.

(3) Keine Maßnahmen ergreifen

In diesen Fällen entstehen beim Erbfall häufig „Erbengemeinschaften“. Wirtschaftlich sind plötzlich mehrere Personen beteiligt, die sich über die Verteilung des Nachlasses einig werden müssen. Bei Streit droht die Teilungsversteigerung von Grundbesitz, um den Nachlass zu verteilen. Auch hierbei kann es zur Aufdeckung stiller Reserven kommen.

4. Sinnvolle Strategie

Jeder Hof und jede Familie sind einzigartig. Genau so individuell muss auch die Nachlassplanung sein. Als Vorbereitung empfehlen wir:
• Loten Sie die Interessen der möglichen Hofnachfolger und sonstigen Beteiligten aus. Wer hat Interesse am Erwerb des Betriebs? Wer nicht? Was erwartet der Nicht-Erwerber als Ausgleich?
• Fragen Sie Ihren Steuerberater, welche Bestandteile steuerliches Betriebsvermögen sind.
• Lassen Sie sich Zeit bei Ihrer Entscheidung.

Variante: lebzeitige Übergabe an einen Nachfolger

  • Steuerliche Vorteile:
Die Übergabe des Betriebs an eine Person ist ertragsteuerlich günstig, da dieser einfach die Buchwerte fortführt. Schenkungssteuerlich kann hier meist eine hohe Steuerverschonung genutzt werden.
  • Verhandlung mit Geschwistern:
Problematisch kann die Zahlung eines Ausgleichsbetrags an andere (z.B. die Geschwister) werden. Ob / wann / welcher Betrag bezahlt wird, ist Verhandlungssache. Führen Sie frühzeitig in Gespräche über konkrete Beträge, wie sich Liquidität schaffen lässt und welche Zahlungsmodalitäten (Raten, Stundung) in Betracht kommen.
  • Finanzielle Absicherung der Übergeber:
Sichern Sie sich als Übergeber in einem Übergabevertrag vor allem finanziell ab. Das Bereitstellen von Kartoffeln, gesüßter Milch und halben Schweinen als Altenteil ist rechtlich sehr viel schwieriger durchzusetzen, als ein Zahlungsanspruch.

Variante: Übertragung erst durch den Erbfall

  • Gespräche mit künftigen Erben und Nichterben:
Gehen Sie mit den künftigen Erben und Nichterben ins Gespräch. Will der potentielle Erbe den Hof überhaupt weiterbetreiben?
  • Verzicht auf künftige Pflichtteilsansprüche:
Ist ein Pflichtteilsberechtigter bereit, gegen Zahlung eines Betrags bereits jetzt auf künftige Pflichtteilsansprüche zu verzichten? Dies muss vor dem Notar erfolgen.
  • Rechtssicheres Testament:
Gestalten Sie diesen Fall durch ein rechtssicheres Testament! Bei Mehreren Erben sollten Sie die Gegenstände präzise zuweisen, damit Streit vermieden wird. Unbedingter Tipp: Errichten Sie das Testament mit rechtlicher Hilfe!

Sondervarianten:

  • Erwerber ist kein Abkömmling,
sondern z.B. ein Neffe/Nachbar o.ä. werden. Hier kann die Erbschafts- / Schenkungssteuer brutal zuschlagen. Möglichweise lässt sich dies durch Gestaltungsinstrumente wie eine Erwachsenenadoption abmildern.
  • Mehrere Personen
wollen den Hof weiter bewirtschaften/bewohnen/anderweitig (z.B. zum Tourismus) nutzen. Hier gilt es ganz besonders, streitvorbeugende Maßnahmen zu treffen. Dies kann die Gründung von WEG-Eigentum, Realteilungen oder Gründung einer Gesellschaft sein. Eine Standardlösung gibt es nicht. Die Lösung muss so individuell sein wie die Hofstelle und die Personenkonstellation.
  • Die Zukunft ist noch ungewiss:
Errichten Sie ein Nottestament, damit Sie im Erbfall ein mögliches Chaos vermeiden. Behalten Sie das weitere Geschehen im Auge. Schenken können Sie immer, zurückholen ist einiges schwieriger!

Fazit:

Die Hofübergabe ist im Wandel der Zeit angekommen. Neue Lösungsansätze sind notwendig, um Streit zu vermeiden und die Hofstelle und den Familienfrieden zu erhalten. Eine Standardlösung gibt es nicht. Am Wichtigsten ist eine offene Kommunikation und eine ehrliche anwaltliche Beratung zu verschiedenen Gestaltungen.
Gerne finden wir mit Ihnen eine Lösung für Ihre Nachfolge / Nachlassplanung! Mit unseren Kanzleistandorten Kempten, Memmingen und Illertissen sind wir von Oberstdorf/Sonthofen bis Ulm und von Landsberg bis Ravensburg/Biberach gut erreichbar. Mit drei auf Erbrecht und Nachfolgeplanung spezialisierten Rechtsanwälten sowie zwei Steuerberatern und zwei Rechtsanwälten für Familienrecht helfen wir Ihnen interdisziplinär auch rechtsgebietübergreifend.

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