Das Kammergericht (KG) hat in einem kürzlich ergangenen Urteil (Beschl. v. 9.5.2023 – 6 W 48/22) entschieden, dass ein Erblasser trotz einer langanhaltenden Parkinson-Erkrankung mit damit verbundenen gesundheitlichen Einschränkungen zur Testierfähigkeit fähig sein kann. Im vorliegenden Fall verfügte der Erblasser in einem handschriftlichen Testament, dass sein Nachbar Alleinerbe wird. Die Nichte des Erblassers, die im gemeinschaftlichen Testament von 1998 als Schlusserbin vorgesehen war, legte jedoch Widerspruch ein und bezweifelte die Echtheit und Testierfähigkeit des letzten Testaments.
Hintergrund: Die Parkinson-Erkrankung und die rechtliche Situation
Der Erblasser litt seit 2015 an einer Parkinson-Erkrankung, die zu verschiedenen motorischen Einschränkungen führte. Die Parkinson-Erkrankung ist eine neurodegenerative Krankheit, die in erster Linie motorische Symptome wie Gangunsicherheit, Stürze, Zittern und Sprechstörungen verursacht. Allerdings kann sie sich auch auf die kognitiven Fähigkeiten auswirken.
Laut § 2229 Abs. 4 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) kann jemand kein Testament errichten, wenn er aufgrund einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit, Geistesschwäche oder Bewusstseinsstörung nicht in der Lage ist, die Bedeutung seiner Willenserklärung zu verstehen und danach zu handeln.
Urteil des Kammergerichts:
Das KG stellte fest, dass das letzte Testament formwirksam war, obwohl es auf der Rückseite eines Speiseplans eines Cafés verfasst wurde. Das Gericht argumentierte, dass die Wahl des Schriftträgers nicht entscheidend ist, solange die Urkunde alle notwendigen Informationen enthält und den Willen des Erblassers ausreichend wiedergibt.
Das Gericht stellte auch fest, dass der Erblasser trotz seiner Parkinson-Erkrankung zur Testierfähigkeit fähig war. Es wurde betont, dass bei der Parkinson-Erkrankung motorische Störungen im Vordergrund stehen und kognitive Einschränkungen eher selten sind. Im vorliegenden Fall konnten die behandelnden Ärzte und Pflegekräfte keine schwerwiegenden kognitiven Defizite feststellen, und der Erblasser war in der Lage, Willenserklärungen abzugeben.
Das Gericht wies auch darauf hin, dass die Testierunfähigkeit nicht allein durch das Vorliegen einer Parkinson-Erkrankung angenommen werden kann, sondern dass dies im Einzelfall geprüft werden muss. Das Gericht wertete ärztliche Stellungnahmen und ein Sachverständigengutachten aus, um zu dem Schluss zu kommen, dass der Erblasser zur Testierfähigkeit in der Lage war.
Das Urteil verdeutlicht, dass selbst bei schweren gesundheitlichen Einschränkungen, wie sie bei einer Parkinson-Erkrankung auftreten können, die Testierfähigkeit des Erblassers nicht automatisch in Frage gestellt wird. Jeder Fall muss individuell bewertet werden, wobei sowohl die medizinische als auch die rechtliche Perspektive berücksichtigt werden müssen.
In der Praxis ist hierbei entscheidend, dass derjenige die Beweislast bzw. Feststellungslast trägt, der sich auf die Testierunfähigkeit beruft.
Fazit:
Das Urteil des Kammergerichts zeigt, dass die Testierfähigkeit eines Erblassers trotz schwerer gesundheitlicher Einschränkungen, wie sie bei einer Parkinson-Erkrankung auftreten können, nicht automatisch infrage gestellt wird. Die individuelle Beurteilung unter Berücksichtigung medizinischer Gutachten und ärztlicher Stellungnahmen ist entscheidend.
Es unterstreicht auch die Bedeutung eines klaren und eindeutigen Testaments, unabhängig von der gewählten Schriftträger. Wenn Sie Fragen zur Testierfähigkeit oder zur Gestaltung Ihres Testaments haben, sollten Sie rechtliche Beratung in Anspruch nehmen, um sicherzustellen, dass Ihre letztwillige Verfügung den gesetzlichen Anforderungen entspricht.
Die vollständige Entscheidung finden Sie hier.