Im Strafverfahren dürfen Sie als Beschuldigter nach § 136 StPO die Aussage verweigern. Doch wie sieht es mit den möglichen Nachteilen und rechtlichen Konsequenzen aus, wenn man von diesem Recht Gebrauch macht? In diesem Artikel werfen wir einen genaueren Blick auf die möglichen Risiken und Überlegungen, die bei der Entscheidung, die Aussage zu verweigern, berücksichtigt werden sollten.
Warum die Aussage verweigern?
Das Aussageverweigerungsrecht beruht auf dem Prinzip, dass sich niemand selbst belasten muss. Dieses Recht ist ein maßgeblicher Pfeiler in der deutschen Strafprozessordnung.
Vorteil der Aussageverweigerung
Vorteil der Aussageverweigerung ist, dass sich der Beschuldigte nicht durch einen unüberlegten Satz selbst belasten oder sogar überführen kann. Ohne Beweise können Sie nicht verurteilt werden.
Häufig reichen genügen für eine Verurteilung schon kleine Nebeninformationen, die für den Beschuldigten nicht relevant erscheinen, aber vom Gericht als Indiz gewertet werden können. Wenn dagegen zum Schutz eine nicht der Wahrheit entsprechende Geschichte erzählt wird, lenkt es den Tatverdacht massiv auf den Beschuldigten, wenn sich diese Geschichte als Lüge herausstellt.
Wichtig: Eine Aussage kann nicht einfach zurückgenommen werden. Was Sie sagen ist und bleibt in der Akte!
2 große Nachteile der Aussageverweigerung
1. Keine Gegendarstellung bei Entscheidung der Staatsanwaltschaft
Die Polizei gibt die Akte nach Abschluss ihrer Ermittlungen an die Staatsanwaltschaft. Diese entscheidet dann, ob das Verfahren eingestellt oder Anklage erhoben wird. Die Staatsanwaltschaft erhebt Anklage, wenn sie von einer Verurteilung vor Gericht ausgeht. Wenn die Staatsanwaltschaft einen Freisprich als wahrscheinlich sieht, dann stellt sie das Verfahren nach § 170 Abs. 2 StPO ein.
Die Polizei sammelt im Regelfall mehr belastendes, als entlastendes Material. Wenn im Ermittlungsverfahren die Aussage verweigert wird, dann hat die Staatsanwaltschaft in Ihrer Akte ggf. nur einsietiges belastendes Material. Es fehlt eine Stellungnahme, die den ganzen Sachverhalt in anderem Licht darstellt und den Staatsanwalt veranlasst, das Verfahren einzustellen. Wenn erst einmal Anklage erhoben wurde, ist es sehr schwer einen Freispruch zu erringen. Während sehr viele Strafverfahren still von der Staatsanwaltschaft eingestellt werden, liegt die Freispruchquote bei wenigen Prozent. Es wird dann u.U. die erste große Chance der Strafverteidigung vertan, das Verfahren eingestellt zu bekommen.
2. Keine Strafmilderung bei Verurteilung
Im Falle einer Verurteilung wirkt ein Geständnis immer strafmildernd. Die Strafe kann in vielen Fällen durch ein Geständnis um 25-30% niedriger ausfallen. Völlig ohne Äußerung wird dem Beschuldigten/Angeklagten diese Milderung nicht zugute kommen.
Überlegungen vor der Aussageverweigerung
Bevor man die Entscheidung trifft, die Aussage zu verweigern, sollten einige Überlegungen angestellt werden:
1. Immer erst schweigen!
Nach unmittelbarer Kenntnis, dass ein Strafverfahren läuft, sollte die Aussage immer vorerst verweigert werden. Zu groß ist die Gefahr, dass ein erfahrener Vernehmungsbeamter Ihnen Informationen entlockt, die Sie selbst belasten. Eine Aussage kann jederzeit bis zum Schluss des Verfahrens nachgeholt werden.
2. Rechtliche Beratung einholen
Dann sollte der Fall zeitnah mit einem erfahrenen Anwalt für Strafrecht besprochen werden. Sie erhalten eine Empfehlung, ob das Verfahren möglicherweise von selbst eingestellt wird, oder eine Verteidigung durch einen Anwalt unbedingt geboten ist. Sie werden auch eine Vorstellung erhalten, was für eine Strafe Ihnen realistischerweise droht und was die Kosten bei einem Mandat anfallen.
3. Beauftragung eines Rechtsanwalts
Wenn Sie sich für die Mandatierung entscheiden wird Ihr Anwalt Akteneinsicht erhalten und die Akteneinsicht mit Ihnen besprechen. Dann kann gemeinsam eine Verteidigungsstrategie entwickelt werden. Dies kann eine Stellungnahme mit Abstreiten der Vorwürfe, aber auch ein Einräumen der Vorwürfe umfassen. In manchen Fällen ist auch ein weiteres Schweigen sinnvoll.
Fazit
Es gibt zwei große Nachteile, wenn die Aussage verweigert wird: Die Staatsanwaltschaft hat bei Ihrer Entscheidung über eine Einstellung ggf. nur einen einseitigen Sachverhalt vorliegen und bei einer Verurteilung fehlt ein strafmilderndes Geständnis.
Es kann daher auch unklug sein, sich gar nicht zur Sache zu äußern. Sie sollten den Fall auf jeden Fall mit einem Strafrecht Anwalt besprechen, um eine sinnvolle Entscheidung treffen zu können. Jeder Fall ist einzigartig, und die individuellen Umstände sollten bei der Bewertung der Vor- und Nachteile berücksichtigt werden.
Wenn Sie Beratung hinsichtlich eines gegen Sie laufenden Strafverfahrens benötigen, stehen wir Ihnen gerne im Rahmen einer Erstberatung oder eines Mandats zur Seite. Weitere Informationen zu strafrechtlichen Themen finden Sie zusätzlich auf unserer Standortseite Kempten.