Wenn Sie eine Vorladung als Zeuge erhalten haben, stellt sich oft die Frage: Muss ich wirklich erscheinen? Gibt es rechtliche Gründe, die mich von dieser Pflicht entbinden? In diesem Artikel erklären wir Ihnen, wann Sie als Zeuge nicht vor Gericht erscheinen müssen, welche Konsequenzen drohen und wie Sie sich richtig verhalten.
1. Was ist ein Zeuge?
Ein Zeuge ist eine Person, die in einem Straf- oder Zivilverfahren über Tatsachen aussagen kann, die sie selbst wahrgenommen hat. Zeugen sind keine Beteiligten am Rechtsstreit, sondern sollen dem Gericht oder der Staatsanwaltschaft helfen, den Sachverhalt aufzuklären.
Arten von Zeugen:
Augenzeuge: Hat ein Ereignis direkt beobachtet.
Ohrenzeuge: Hat relevante Informationen durch Hören erlangt.
Sachverständiger Zeuge: Besitzt Fachwissen zu einem bestimmten Thema (z. B. ein Arzt, der eine Verletzung begutachtet hat).
Belastungszeuge: Belastet eine Person durch seine Aussage.
Entlastungszeuge: Unterstützt die Verteidigung eines Angeklagten durch seine Aussage.
Zeuge vom Hörensagen: Hat durch Erzählung von einer anderen Person etwas erfahren.
Zeugen sind verpflichtet, die Wahrheit zu sagen. Falschaussagen können strafrechtliche Konsequenzen haben (§ 153 StGB – Meineid, § 163 StGB – falsche uneidliche Aussage).
2. Zeugenpflicht in Deutschland – Grundsatz der Aussagepflicht
Grundsätzlich sind Zeugen in Deutschland verpflichtet, vor Gericht oder bei der Staatsanwaltschaft auszusagen, wenn sie ordnungsgemäß geladen wurden. Dies ergibt sich aus den jeweiligen Prozessordnungen, z.B. § 48 der Strafprozessordnung (StPO) oder § 380 der Zivilprozessordnung (ZPO).
Allerdings gibt es Ausnahmen, bei denen Zeugen nicht erscheinen müssen oder die Aussage verweigern dürfen. Wer ohne triftigen Grund nicht erscheint, riskiert ein Ordnungsgeld oder sogar Erzwingungshaft.
2.1. Gesetzliche Gründe, um als Zeuge nicht zu erscheinen
Es gibt verschiedene rechtlich anerkannte Gründe, warum ein Zeuge einer Vorladung nicht nachkommen muss:
a) Zeugnisverweigerungsrecht nach § 52 StPO – Verwandtschaft mit dem Beschuldigten
Wenn der Zeuge im Strafverfahren mit dem Beschuldigten verwandt oder verschwägert ist, kann er von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen. Dazu zählen:
Ehepartner oder eingetragene Lebenspartner
Eltern, Großeltern, Kinder, Enkel
Geschwister
Eine entsprechende Norm für Zivilverfahren findet sich in § 383 ZPO.
b) Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 StPO – Berufsgeheimnisträger
Bestimmte Berufsgruppen unterliegen einer Schweigepflicht und können die Aussage verweigern, darunter:
Rechtsanwälte und Strafverteidiger
Ärzte, Psychotherapeuten und Seelsorger
Journalisten unter bestimmten Voraussetzungen
Wenn ein Zeugnisverweigerungsrecht besteht, kann bereits im Vorfeld dem Gericht oder der Staatsanwaltschaft mitgeteilt werden, dass keine Angaben gemacht werden. In vielen Fällen wird der Zeuge dann gar nicht geladen. Im Übrigen muss der Zeuge zwar erscheinen, kann sich aber sofort auf sein Verweigerungsrecht berufen.
c) Gesundheitszustand – Ärztliches Attest erforderlich
Wer aufgrund einer schweren Erkrankung nicht in der Lage ist, als Zeuge zu erscheinen, kann durch ein ärztliches Attest entschuldigt werden. Die Bescheinigung muss jedoch konkret darlegen, warum die Teilnahme an der Verhandlung unzumutbar ist.
Regelmäßig wird dies einen besonders wichtigen Zeugen aber nicht von seiner Aussagepflicht entbinden. Das Gericht wird den Zeugen dann eher zu einem anderen Termin laden.
d) Unzumutbare Anreise – Große Entfernung oder Reisehindernisse
Ist der Zeuge im Ausland oder eine Anreise aus gesundheitlichen oder finanziellen Gründen unzumutbar, kann ein Antrag auf Befreiung gestellt werden. Gerichte können in spezifischen Fällen eine schriftliche Aussage ermöglichen. Da in Strafverfahren der Grundsatz der Mündlichkeit gilt, ist dies jedoch nur selten möglich. In Zivilverfahren liegen die Voraussetzungen nach § 377 Abs. 3 StPO niedriger.
e) Ladungsfehler – Formfehler bei der Vorladung
Wenn die Vorladung fehlerhaft ist (z. B. falscher Name, fehlende Unterschrift), kann dies ein Grund sein, nicht zu erscheinen. In diesem Fall sollte man sich anwaltlich beraten lassen. Denn wenn irrtümlich von einer falschen Ladung ausgegangen wird, kann dies Konsequenzen haben.
2.2. Weitere Gründe nicht zu erscheinen
Zweck der Aussage eines Zeugen ist es, den Sachverhalt aufzuklären. In einigen Fällen kann der Zeuge hier nichts beitragen, da er selbst nichts wahrgenommen hat oder den Vorfall bereits wieder vergessen hat.
Dann kann sich der Versuch lohnen, dem Gericht im Vorfeld klar zu machen, dass die Aussage keinen relevanten Inhalt haben wird. Gleiches gilt, wenn eine Vielzahl von Zeugen geladen werden, die im Wesentlichen alle das Gleiche wahrgenommen haben. In diesen Fällen kann angeregt werden, vorerst auf einen Zeugen zu verzichten.
Wichtig:
Dies allein befreit den Zeugen nicht von der Aussagepflicht. Einer Ladung muss trotzdem nachgekommen werden!
Im besten Fall erfolgt die Darlegung, dass die Aussage nicht zur Wahrheitsfindung beitragen kann, durch ein anwaltliches Schreiben mit substantiierter und nachvollziehbarer Darlegung.
Unbedingt abgeraten wird von falschen Behauptungen, wenn der Zeuge tatsächlich Angaben machen kann.
Beispiele:
a) Kfz-Unfall:
Nach einem unspektakulären Autounfall im Jahr 2020 streiten sich Beteiligte. Die Klage wurde kurz vor Verjährung Ende 2023 eingereicht. Das Verfahren zieht sich hin und ein Gerichtstermin findet erst Ende 2024 statt. Es wird ein Zeuge geladen, der einen Knall gehört und dann zur Unfallstelle gelaufen ist. Es gab nur einen Blechschaden und kurz darauf kam die Polizei.
Der Zeuge hat diese Alltagssituation schon lange vergessen. Zudem hat er das eigentliche Unfallgeschehen gar nicht wahrgenommen, da er erst danach dazukam. Die Situation nach dem Unfall ergibt sich zudem bereits aus dem Polizeibericht.
b) Schlägerei:
Ein Zeuge beobachtet aus einem Cafe, wie sich mehrere Leute auf dem Marktplatz in Kempten prügeln. Er sitzt ca. 100m von dem Geschehen weg und ist kurzsichtig. Bei Eintreffen der Polizei werden er und 20 weiter vorne sitzenden Cafebesucher gefragt, was sie gesehen haben. Der Zeuge schildert damals, wie sich die Personen geschlagen haben.
Später wird er zum Gerichtstermin geladen. Aus der Akte ergibt sich, dass das Geschehen durch eine Videokamera in hoher Qualität aufgezeichnet wurde. Die Aussage des Zeugen hat demgegenüber kaum einen Wert, da er das Geschehen ohnehin nur unscharf wahrgenommen hat. Zudem gibt es genug andere Zeugen.
In beiden Fällen hat die Aussage des Zeugen keinen entscheidenden Wert. Es kann sich lohnen bei Gericht unter Darlegung der Gründe eine Abladung anzuregen.
Hinweis:
Das Gericht darf die Beweiswürdigung nicht vorwegnehmen. In schwierigen Fällen, bei denen auch kleine Indizien zählen, wird das Gericht im Zweifel den Zeugen trotzdem laden.
Beispiel:
Komplexe Mord-Indizienprozesse, bei denen auch kleine Details wichtig sind.
Denn schaut sich das Gericht nicht alle potentiellen Beweismittel an, kann dies später in der Revision gerügt werden.
2.3. Unentschuldigtes Fernbleiben – Diese Konsequenzen drohen
Wer ohne gültige Begründung einer Zeugenladung nicht folgt, muss mit folgenden Maßnahmen rechnen:
Ordnungsgeld oder Ordnungshaft: Das Gericht kann eine Geldstrafe verhängen oder sogar Erzwingungshaft anordnen (§ 51 StPO).
Zwangsvorführung: In bestimmten Fällen kann die Polizei beauftragt werden, den Zeugen vorzuführen.
Schadenersatzforderungen: Falls durch das Nichterscheinen zusätzliche Kosten entstehen, können diese dem Zeugen auferlegt werden.
4. Richtiges Verhalten bei einer Vorladung als Zeuge
Prüfen Sie, ob Sie aus einem der genannten Gründe nicht erscheinen müssen.
Falls ja, informieren Sie das Gericht oder die Staatsanwaltschaft frühzeitig.
Holen Sie sich bei Unsicherheiten rechtlichen Rat, um Sanktionen zu vermeiden.
Fazit
Nicht jeder Zeuge muss vor Gericht erscheinen, aber das unentschuldigte Fernbleiben kann ernste Konsequenzen haben. Sollten Sie eine Vorladung erhalten und sich unsicher sein, ob Sie erscheinen müssen, kontaktieren Sie einen Anwalt.
Wenn Sie rechtliche Beratung benötigen, stehen wir Ihnen gerne im Rahmen einer Erstberatung oder eines Mandats zur Seite.
Ein Gerichtssaal kann für Zeugen eine beängstigende Umgebung sein, und es ist nicht ungewöhnlich, dass Nervosität auftritt. In diesem Artikel gehen wir das Thema aus Sicht eines Anwalts an.
In rechtlichen Angelegenheiten kann es vorkommen, dass Sie als Zeuge vor Gericht oder zur Polizei geladen werden, obwohl Sie nichts gesehen haben. Dies kann eine ungewohnte und stressige Erfahrung sein, aber es ist wichtig zu wissen, was der Hintergrund ist.
Die Pflicht, als Zeuge bei der Polizei auszusagen, hat sich im Laufe der Zeit geändert und hängt von verschiedenen Faktoren ab. In diesem Artikel werden wir die aktuellen rechtlichen Bestimmungen in Deutschland betrachten und Ihnen einen Überblick darüber geben, was Sie als Zeuge bei der ...