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Erbengemeinschaft - Wer hat das Sagen?


16.10.2023
Mit dem Tod einer Person werden die meisten Rechtspositionen automatisch auf einen anderen Rechtsträger übertragen. Es ist schlichtweg nicht sinnvoll, dass eine verstorbene Person beispielsweise einen PKW, eine Immobilie oder einen Mietvertrag innehat. In vielen Fällen gehen diese Rechtspositionen an mehrere Personen (Erben) über, was zur Bildung einer Erbengemeinschaft führt. Die Regelung und Auflösung eines Nachlasses kann eine komplexe und emotional geladene Angelegenheit sein.

Die Erbengemeinschaft im Überblick

Eine Erbengemeinschaft entsteht in der Regel, wenn der Verstorbene kein Testament hinterlassen hat. In diesem Fall erben die gesetzlichen Erben gemeinsam. Dies können Ehepartner, Kinder, Enkelkinder, Eltern oder andere Verwandte sein. Jeder Erbe hat einen Anteil am Nachlass, der in der Regel nach dem Verwandtschaftsgrad verteilt wird. Eine Erbengemeinschaft kann aber auch entstehen, wenn ein Testament so ausgelegt wird, dass mehrere Personen die Stellung eines Erbe haben sollen.
  • Praxistipp Nr. 1: Vermeiden Sie eine ungeordnete Erbengemeinschaft durch ein präzise formuliertes Testament!

Die Verwaltung des Nachlasses

In einer Erbengemeinschaft stellt sich oft die Frage, wie der Nachlass verwaltet wird. Hier kommt es auf die individuelle Situation an.

1. Auseinandersetzung des Nachlasses

Das Hauptziel einer Erbengemeinschaft besteht grundsätzlich darin, den Nachlass aufzuteilen. Die Erben können sich in der Regel einvernehmlich darauf einigen, den Nachlass aufzuteilen. Dies kann bedeuten, dass Vermögenswerte wie Immobilien oder Wertpapiere verkauft werden, um Schulden zu begleichen und den Erlös aufzuteilen. In vielen Fällen ist dies der ideale Weg, um Streitigkeiten zu vermeiden. Die Frage einer längerfristigen, streitanfälligen gemeinsamen Verwaltung stellt sich dann gar nicht. Bei der Auseinandersetzung müssen alle Miterben beteiligt sein.
  • Praxistipp Nr. 2: Eine schnelle Aufteilung vermeidet spätere Streitigkeiten bei der Verwaltung. Oft ist die Stimmung anfangs noch besser, als zu einem späterem Zeitpunkt.

2. Nutzung und Verwaltung des Nachlasses

Ohne Auseinandersetzung bleibt der Nachlass vorerst ungeteilt. In solchen Fällen wird der Nachlass von den Erben gemeinsam verwaltet. Da dies nicht das Ziel der Erbengemeinschaft ist, ist die Verwaltung des Nachlasses gesetzlich nur unzureichend geregelt. Dies führt einerseits zu Unsicherheit und kann andererseits zu Konflikten führen, da Entscheidungen bezüglich der Verwaltung und Nutzung des Nachlasses oft nicht von allen Erben geteilt werden.
Hier, bei der Verwaltung des Nachlasses, stellt sich die Frage: Wer hat das Sagen? Diese Frage ist abhängig von der Art der geplanten Maßnahme:
  • Notgeschäftsführung: Jeder alleine
Maßnahmen der Notgeschäftsführung kann jeder Miterbe alleine rechtmäßig durchführen. Die Maßnahme muss so dringlich sein, dass die Zustimmung der anderen Miterben nicht mehr erreicht werden kann. In Zeiten von Whatsapp und telefonischer Erreichbarkeit ist dieser Fall selten und tritt in der Praxis eher dann auf, wenn ein Miterbe z.B. wegen Urlaubsabwesenheit nicht erreichbar ist.
Als (plakatives) Beispiel wäre dies die Beauftragung der Feuerwehr, wenn die Immobilie brennt.
  • Gemeinschaftliche Verwaltung: Mehrheitsbeschluss
Die meisten Maßnahmen sind als laufende ordnungsgemäße Verwaltung von der Erbengemeinschaft durch Mehrheitsbeschluss zu beschließen. Jeder Miterbe hat die seiner Erbquote entsprechende Stimmenanzahl. Wenn sich die anderen Miterben weigern, an Maßnahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung mitzuwirken und deshalb kein Mehrheitsbeschluss zustande kommen kann, müssen diese auf Zustimmung verklagt werden. Die ordnungsgemäße Verwaltung sind die Maßnahmen, die aus Sicht einer vernünftig und wirtschaftlich denkenden Person geboten und notwendig erscheint.
Hierunter fallen z.B. übliche Renovierungsmaßnahmen an Immobilien oder deren Vermietung.
  • außerordentliche Verwaltung: Einstimmigkeit
Nur bei Maßnahmen der außerordentlichen Verwaltung muss ein einstimmiger Beschluss gefasst werden. Dies sind Maßnahmen, die aus Sicht einer vernünftig und wirtschaftlich denkenden Person nicht unbedingt notwendig erscheint, sondern darüber hinausgeht.
Hierunter fällt z.B. die Renovierung einer Immobilie zu einer Luxusimmobilie.
  • Praxistipp Nr. 3: Die Miterben können einen Erben bevollmächtigen, damit dieser den Nachlass alleine verwalten kann. Andernfalls sollte jeder Miterbe vor jeder Maßnahme die schriftliche Zustimmung der Miterben einholen.

3. Austritt aus der Erbengemeinschaft

Wenn ein Erbe mit der Situation unzufrieden ist, gibt es verschiedene Wege, aus der Erbengemeinschaft auszuscheiden.
Zum einen gibt es die "Abschichtung", bei der der Miterbe einfach ausscheidet und dessen Erbanteil den Miterben anwächst.
In besonders verfahrenen Fällen kann ein Erbe auch seinen Erbanteil an einen Dritten verkaufen. Der Miterbe erhält sofort verfügbares Geld und ist den Ärger los. Der Erbteilskäufer übernimmt die Probleme und kümmert sich um die Auseinandersetzung. Hierfür wird vom Wert des Erbteils ein Abschlag vorgenommen, sodass der Kaufpreis unter dem Wert des Erbanteils liegt. Weitere Informationen zu dieser Möglichkeit finden Sie hier.

Die Rolle des Testaments

Wenn der Verstorbene ein Testament hinterlassen hat, legt dieses normalerweise genau fest, wer welche Vermögenswerte erben soll. Eine Erbengemeinschaft und eine streitanfällige Verwaltung des Nachlasses kann durch eine präzise Testamentsgestaltung vermieden werden. In Betracht kommen insbesondere die Anordnung einer Abwicklungstestamentsvollstreckung oder die Anordnung von Vermächtnissen.
  • Praxistipp Nr. 4: Die bloße Verteilung von Vermögensgegenständen im Testament wird oft als bloße "Teilungsanordnung" ausgelegt, wenn der Erblasser nicht klar äußert, dass etwaige Wertunterschiede nicht auszugleichen sind. Es entstehen dann Ausgleichsansprüche zwischen den Miterben, die in der Regel nicht gewollt waren und ebenfalls streitanfällig sind.

Rechtliche Unterstützung

Die Frage, wer in einer Erbengemeinschaft das Sagen hat, kann komplex und mit Konflikten verbunden sein. Da das vorrangige Ziel die Auseinandersetzung des Nachlasses ist, ist die Verwaltung des Nachlasses im Gesetz nur sehr rudimentär geregelt. Alleine die Abgrenzung, was unter die "ordnungsgemäße Verwaltung" fällt, ist oft nicht eindeutig und mehr durch Rechtsprechung, als durch Gesetz gefestigt. In vielen Fällen ist es ratsam, rechtliche Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Ein erfahrener Anwalt für Erbrecht kann Ihnen dabei helfen, die beste Lösung für Ihre individuelle Situation zu finden und Streitigkeiten zu vermeiden.
  • Praxistipp Nr. 5: Im Zweifel erst zum Anwalt! Gerade in konfliktbelasteten Situationen ist es entscheidend, rechtlich auf der sicheren Seite zu sein. Die Konsequenzen eigenmächtiger, widerrechtlicher Entscheidungen werden häufig als Druckmittel genutzt.

Fazit

Eine ungeordnete Erbengemeinschaft entsteht oft durch gesetzliche Erbfolge oder ein unpräzises Testament und sollte vermieden werden. Wer das Sagen in der Erbengemeinschaft hat, hängt von der Art der Maßnahme und der Erbquote ab. Der Normalfall ist die ordnungsmäße Verwaltung, bei der ein Mehrheitsbeschluss ausreicht.
Ein rechtzeitiger Rat von einem Anwalt für Erbrecht kann dabei helfen, Konflikte zu vermeiden und den Prozess reibungsloser zu gestalten.

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