Warum raten Anwälte ab zu Polizei zu gehen und auszusagen?
Ohne Akteneinsicht wissen Sie nicht, was für Beweismittel es gibt. Ihre Aussage kann den Vorwurf in Ihre Richtung lenken, obwohl Sie das gar nicht wollten oder beabsichtigt haben.
Beispiel: Die Polizei ermittelt nach einer gewaltsamen Demonstration wegen Landfriedensbruch. Sie standen in den hinteren Reihen und haben sich nicht aktiv beteiligt. Ein Zeuge hat ausgesagt, dass ihm ein gewalttätiger Mann mit roter Jacke aufgefallen sei. Ohne Kenntnis dieser Aussage werden Sie bei der Polizei nichtsahnend aussagen, was Sie zum Tatzeitpunkt getragen haben. Wenn Sie zufällig auch eine rote Jacke trugen, so haben Sie sich unabsichtlich zur Zielscheibe gemacht.
Die Strafverfolgung muss die Tat nachweisen. Häufig werden in Beschuldigtenvernehmungen Sachverhalte eingeräumt, welche ohne die Aussage nicht nachweisbar gewesen wären.
Beispiel: Ein Zeuge hat einen Parkunfall beobachtet, den Fahrer aber nicht gesehen. Sie waren der Fahrer, haben keinen Unfall wahrgenommen und sind weitergefahren. Die Polizei ermittelt wegen Fahrerflucht. Das Auto nutzen mehrere Familienmitglieder. Wenn Sie aussagen, dass Sie mit dem PKW an diesem Tag und dieser Stelle unterwegs waren, hängt die Verurteilung nur noch davon ab, ob Ihnen das Gericht glaubt, dass Sie den Unfall nicht wahrgenommen haben. Dies ist eine sehr häufige Ausrede. Ohne die Aussage wird das Verfahren mit hoher Wahrscheinlichkeit eingestellt, da nicht nachweisbar ist, wer den PKW überhaupt gefahren hat.
Einmal gesagt - immer gesagt. Sie können Ihre Aussage nicht einfach zurückziehen.
Beispiel: Sie sind mit Ihrem PKW alkoholisiert mit 1,3 Promille eine kurze Strecke vom Bekannten nach Hause gefahren. Sie haben gerade das Auto abgestellt, da kommt zufällig eine Polizeistreife und sieht Sie vom Auto zur Haustür wanken. Nach Belehrung über Ihr Aussageverweigerungsrecht geben Sie zu, soeben gefahren zu sein. Am nächsten Tag wollen Sie das Geständnis "widerrufen". Die Aussage ist in der Akte. Mit hoher Wahrscheinlichkeit folgt eine Verurteilung wegen § 316 StGB und der Entzug der Fahrerlaubnis. Ohne die Aussage wäre ein Tatnachweis wohl nicht möglich gewesen.