Stacheldrahtzaun

Untersuchungs-haft

Ein kurzer Überblick

Was ist Untersuchungshaft?

Untersuchungshaft (U-Haft) ist eine Form der Freiheitsentziehung, die gegen eine Person verhängt wird, die verdächtigt wird, eine Straftat begangen zu haben, und bei der bestimmte gesetzlich festgelegte Haftgründe vorliegen. Sie dient dazu, die Durchführung eines Strafverfahrens zu sichern und zu gewährleisten, dass die betreffende Person für das Verfahren zur Verfügung steht und dieses nicht durch Flucht, Verdunkelung (Beeinflussung von Beweismitteln oder Zeugen) oder Wiederholung der Tat gefährdet wird.
Untersuchungshaft kann nur durch einen richterlichen Beschluss angeordnet werden. In Deutschland sind die Voraussetzungen für die Anordnung von Untersuchungshaft im Strafprozessordnung (StPO) geregelt. Neben dem dringenden Tatverdacht müssen dabei bestimmte Haftgründe vorliegen, wie zum Beispiel Fluchtgefahr, Verdunkelungsgefahr oder ein besonders schwerer Tatvorwurf (Schwere der Tat). Zudem muss die Verhältnismäßigkeit der Untersuchungshaft gegeben sein; das heißt, sie darf nur angeordnet werden, wenn sie nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache steht oder zur erwarteten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung.
Die Dauer der Untersuchungshaft ist gesetzlich begrenzt und soll so kurz wie möglich gehalten werden.
Strafverteidiger

1. Dringender Tatverdacht

Ein dringender Tatverdacht besteht, wenn nach dem bisherigen Ermittlungsergebnis eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der Beschuldigte eine Straftat begangen hat. Der Richter muss bei seiner Beurteilung auf den Stand der Ermittlungen zum Zeitpunkt der Haftentscheidung zurückgreifen und das vorliegende Tatsachenmaterial würdigen. Dabei müssen auch mögliche Beweise berücksichtigt werden, die sich aus den Ermittlungsakten ergeben.
Der Tatverdacht muss sich auf eine prozessual verfolgbare, rechtswidrig und schuldhaft begangene Tat beziehen. Rechtfertigungs-, Schuld- und Strafausschließungsgründe stehen der Annahme des dringenden Tatverdachts entgegen. Bei der Beweiswürdigung tritt der Haftrichter in eine freie Bewertung des vorliegenden Tatsachenmaterials ein und entscheidet, ob der Beschuldigte mit großer Wahrscheinlichkeit die ihm zur Last gelegte Tat begangen hat.
Person mit Handschellen
Person in Haft

2. Haftgründe

  • Flucht

    Untersuchungshaft (U Haft) kann angeordnet werden, wenn der Beschuldigte flüchtig ist oder sich verborgen hält, mit dem Willen, dem Strafverfahren zu entkommen.
    Ein Beschuldigter gilt als flüchtig, wenn er seinen bisherigen Lebensmittelpunkt verlässt, um den Ermittlungsbehörden und Gerichten unerreichbar zu sein. Ein passives Verhalten reicht nicht aus. Ein Deutscher, der seinen Wohnsitz ins Ausland verlegt, ohne eine feste Adresse anzugeben, wird als flüchtig betrachtet. Allerdings wird die Flucht verneint, wenn der Beschuldigte bereit ist, sich einer Hauptverhandlung zu stellen und dies durch seinen Anwalt erklärt. Ein Ausländer, der sich an einem bekannten Wohnort im Ausland aufhält, wird nicht automatisch als flüchtig angesehen.
    Ein Beschuldigter hält sich verborgen, wenn er seinen Aufenthaltsort vor den Behörden verschleiert oder unauffindbar ist. Die Willensrichtung des Beschuldigten wird meist an äußeren Umständen ersichtlich. Der Haftgrund muss nicht mit voller Überzeugung festgestellt werden, sondern es genügt, dass überwiegende Gründe dafür sprechen.
  • Fluchtgefahr

    Der Haftgrund der Fluchtgefahr tritt ein, wenn es wahrscheinlicher ist, dass der Beschuldigte sich dem Strafverfahren entzieht, als dass er daran teilnimmt. Dies basiert auf konkreten Tatsachen, nicht auf schematischen Annahmen. Die individuellen Umstände werden berücksichtigt, einschließlich persönlicher Verhältnisse und des Verhaltens des Beschuldigten. Selbstmordabsichten oder Täuschung über den Gesundheitszustand können als Entziehungshandlungen betrachtet werden. Die zu erwartenden Strafen und finanziellen Folgen der Verurteilung können ebenfalls die Fluchtgefahr erhöhen.
    Präventive Maßnahmen wie die Aufhebung von Strafaussetzungen zur Bewährung oder drohende weitere Strafverfahren können ebenfalls berücksichtigt werden. Das Fehlen eines festen Wohnsitzes, vor allem im Ausland, und andere Faktoren wie Fluchtvorbereitungen oder die Natur der Straftat können ebenfalls als Hinweise auf Fluchtgefahr dienen. Soziale Integration, Unterstützung durch die Familie und Selbststellung können hingegen die Fluchtgefahr mindern.
  • Verdunkelungsgefahr

    Die Verdunkelungsgefahr ist ein Grund für die Anordnung von Untersuchungshaft, der darauf abzielt, zu verhindern, dass der Beschuldigte Beweise manipuliert, um den Straftatbestand zu verschleiern. Ein dringender Verdacht der Verdunkelung liegt vor, wenn es wahrscheinlich ist, dass der Beschuldigte versuchen wird, Beweise zu verändern, wenn er nicht inhaftiert wird. Dies betrifft insbesondere Personen, die Mitglieder krimineller Organisationen sind oder schwere Verbrechen begangen haben. Die Grundlage für diesen Verdacht muss durch konkrete Tatsachen aus dem Verhalten des Beschuldigten festgestellt werden.
    Verdunkelungshandlungen können verschiedene Formen annehmen, wie das Vernichten von Beweisen oder das Beeinflussen von Zeugen. Dabei müssen diese Handlungen nicht zwangsläufig bereits begangen worden sein, sondern es genügt, dass die Gefahr besteht, dass sie in Zukunft begangen werden. Es muss jedoch eine objektive Möglichkeit der Behinderung der Wahrheitssuche bestehen.
  • Schwerkriminalität

    Für den Erlass eines Haftbefehls in Fällen schwerer Kriminalität (gemäß § 112 Abs. 3) müssen keine spezifischen Haftgründe vorliegen. Verdächtige müssen jedoch dringend einer bestimmten Liste von Straftaten zugeordnet werden, darunter Mord, schwere Körperverletzung, besonders schwere Brandstiftung und Bildung einer terroristischen Vereinigung. Seit dem 1. Juli 2021 wurden auch schwere sexuelle Verbrechen gegen Kinder in diese Liste aufgenommen.
    Obwohl § 112 Abs. 3 vom Erfordernis eines Haftgrundes absieht, muss dennoch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit berücksichtigt werden. Das bedeutet, dass die Gefahr, dass die Tat ohne Verhaftung des Beschuldigten nicht angemessen untersucht und bestraft werden kann, nachgewiesen werden muss. Dies kann beispielsweise durch Fluchtgefahr oder die Befürchtung weiterer ähnlicher Straftaten erfolgen.

3. Verhältnismäßigkeit

Die Verhältnismäßigkeit ist ein entscheidender Grundsatz für die Anordnung von Untersuchungshaft. Dieser Grundsatz berücksichtigt das Spannungsverhältnis zwischen dem Recht auf persönliche Freiheit und den Erfordernissen einer effektiven Strafverfolgung. Die Entscheidung für oder gegen Untersuchungshaft muss daher sorgfältig abgewogen werden, insbesondere unter Berücksichtigung der Bedeutung des Falls und der zu erwartenden Strafen.
Es ist wichtig sicherzustellen, dass die Untersuchungshaft nicht unverhältnismäßig ist, insbesondere im Vergleich zur Schwere der Tat und den zu erwartenden Maßnahmen. Auch Überhaft und die Dauer der Haft müssen verhältnismäßig sein. Das Beschleunigungsgebot in Haftsachen betont die Notwendigkeit, Untersuchungshaft zügig abzuwickeln und Verfahrensverzögerungen zu vermeiden.
Bei der Entscheidung über Untersuchungshaft müssen die konkreten Auswirkungen für den Beschuldigten sowie das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung berücksichtigt werden. Die Straferwartung und die Möglichkeit einer Bewährungsstrafe spielen ebenfalls eine Rolle. Zudem gilt das Prinzip der Subsidiarität, wonach Untersuchungshaft nur angewendet werden sollte, wenn keine milderen Mittel zur Verfügung stehen.
Insgesamt müssen die Gerichte eine umfassende Prüfung vornehmen, um sicherzustellen, dass die Anordnung von Untersuchungshaft im Einklang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit steht und die Rechte der Betroffenen angemessen berücksichtigt werden.
Stacheldrahtzaun
Häufig gestellte Fragen